Stolperstein
Stolpersteinverlegung für Bernhard Freiherr von Hoyningen-Huene
Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Zeit) verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Diese quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand eingeschlagenen Lettern beschriftet und werden von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96 × 96 und einer Höhe von 100 Millimetern getragen. Sie werden meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster bzw. den Belag des jeweiligen Gehwegs eingelassen. Im Mai 2018 gab es rund 69.000 Steine; nicht nur in Deutschland, sondern auch in 21 weiteren europäischen Ländern.
Seit April 2006 erinnern auch in Leipzig diese Stolpersteine an verschiedenen Orten an ehemalige Bewohner*innen der Stadt, die vom Nazi-Regime verfolgt, deportiert und die schließlich zu Tode gekommen waren. Dieser Tradition hat sich nun auch unser Leipziger Bündnis gegen Depression angeschlossen und die Patenschaft für einen Stolperstein für den im März 1883 geborenen Juristen und Kirchenrat Bernhard von Hoyningen-Huene übernommen.
Er litt unter Depressionen und wurde deswegen zuletzt in die Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein verschleppt.
Dort ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940/41 rund 13720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen. Diesem organisierten Krankenmord ist auch von Hoyningen-Huene zum Opfer gefallen. Noch am Tag seiner Ankunft am 20. September 1940 kam er in einer Gaskammer um.
Bei der Stolpersteinverlegung am 21. Juni 2018 in der Erich-Zeigner-Allee 36 herrschte feierlich - besinnliche Atmosphäre. Im Beisein von etwa 35 Gästen wurde der Stein von Gunter Demnig persönlich verlegt. Untermalt von Geigenklängen des Violinisten Ludolf Kähler sprachen u. a. Dr. Nicole Koburger und der Gemeindepfarrer Michael Staemmler Worte des Gedenkens. Helmut Stein vom Leipziger Bündnis gegen Depression, der im Vorfeld engagiert umfangreiche Recherchearbeit geleistet hatte, trug zum Werdegang und Leben des Geehrten vor.
Emotionaler Höhepunkt war die Niederlegung 25 einzelner weißer Rosen durch die Gäste auf dem verlegten Stolperstein und ein kurzes Innehalten und Gedenken dabei.
Dankbar, nicht in dieser finsteren Zeit deutscher Geschichte gelebt zu haben, wird dieser Tag noch lange ein Meilenstein in unserer Vereinsgeschichte sein.
Christine Reuter
© Sebastian Bammel
Kurz-Biografie über Bernhard Freiherr von Hoyningen-Huene
Die Familie Hoyningen-Huene ist ein deutsch-baltisches Adelsgeschlecht. Bernhard Alexander Leon kam als Jüngster von sechs Geschwistern am 18.03.1883 in St. Petersburg zur Welt. Nach dem Abitur studierte er Jura und fand nach dem Staatsexamen 1906 eine erste Anstellung in Riga, wo er auch promovierte. Im Jahr 1908 wird Bernhard von Hoyningen-Huene Sekretär und Referent beim Gouverneur in der Hauptstadt Livlands. Diese Stelle verschaffte ihm die Liquidität zur Heirat von Irmgard von Samson-Himmelsstjerna. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
Im Jahr 1909 wechselte Bernhard von Hoyningen-Huene als Direktionsrat an die "Livländische Adelige Güter-Kreditsozietät" in Riga, die die Aufgabe hatte, Gutbesitzern den finanziellen Rückhalt zu sichern. Nach dem I. Weltkrieg und der Enteignung der adligen Güter durch den neuen Staat Lettland verlor Freiherr von Hoyningen-Huene seine Lebensgrundlage im Baltikum. Die Familie siedelte nach Tübingen über. Bis 1921 war Bernhard von Hoyningen-Huene zwar noch mit der Abwicklung der Kreditanstalt beschäftigt, dann wurde er aber arbeitslos. Erst nach monatelanger Suche fand er einen bescheidenen Bankposten in Heidelberg. Die prekäre Perspektive löste 1927 einen ersten „Nervenzusammenbruch“ aus. Es folgte die Kündigung.
Im Jahr 1928 zog die Familie nach Leipzig. Hier wurde Bernhard von Hoyningen-Huene Mitarbeiter beim Bezirkskirchenamtsrat Leipzig. Kurze Zeit später ernannte man ihn zum Kirchenrechtsrat. Als Jurist und Rechtsanwalt musste er alle rechtlichen Belange der Kirche nach außen vertreten.
So verwaltete er z.B. kirchliche Immobilien. Weiterhin agierte Bernhard von Hoyningen-Huene als Finanzberater und Anwalt. In Leipzig hatte er eine neue Heimat gefunden und beteiligte sich rege am gesellschaftlichen Leben der Stadt.
Im Herbst 1931 kam es jedoch zu einem zweiten „Nervenzusammenbruch“, der eine längere Krankheit mit sich brachte. Die politischen Auseinandersetzungen Anfang der 1930er Jahre verfestigten seine pessimistische Einstellung und mit der Machtübernahme der Nazis 1933 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand immer mehr. Durch einen NS-konformen Nachfolger aus dem Amt gedrängt, fühlte er sich erneut beruflich und gesellschaftlich gescheitert. Die Eheleute gingen nach Böhlitz-Ehrenberg und zogen 1935 zurück nach Leipzig in die Elisabethallee 36 (heute: Erich-Zeigner-Allee). Bernhard von Hoyningen-Huene befand sich in fortlaufender ärztlicher Behandlung und litt an Amtsverlust, Entfremdung, Depressionen, Ängsten und Verfolgungsvorstellungen.
Im Februar 1937 erfolgte die Einweisung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen. Im Dezember 1939 begann seine permanente Verlegung in andere Anstalten, um den gezielten Mord des NS-„Euthanasie“-Programms „T4“ zu verschleiern. Silvester 1939 kam Bernhard von Hoyningen-Huene nach Chemnitz, am 29.05.1940 in die Anstalt Hubertusburg in Wermsdorf und am 28.08.1940 nach Großschweidnitz. Von hier aus wurde Bernhard von Hoyningen-Huene (57 Jahre) am 20.09.1940 in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein gebracht und ermordet.
- Recherchen:
Helmut Stein
- Pate:
Leipziger Bündnis gegen Depression e.V.
Die Stolpersteinverlegung erfolgte am 21. Juni 2018 um 9.30 Uhr in der Erich-Zeigner-Allee Nr. 36.